Elternabend mit Ulrike Wilke:
Harry Potter und was sonst?
Vom Abenteuer des Lesens zu Beginn des 21. Jahrhunderts"
"Das grenzenloseste aller Abenteuer der Kindheit, das
war das Leseabenteuer .... und ein besseres Geschenk hat das Leben
mir nicht beschert."
Dieses Zitat der Kinderbuchautorin Astrid Lindgren entfaltete die Referentin vor
etwa 80 interessierten Eltern auf spannende und packende Art. Ausgehend
von Untersuchungsberichten über die Wirkungen des Lesen bei Kindern
stellte sie überzeugend dar, welch wichtige Rolle diesem für die
Entwicklung der Sprachkompetenz der Kinder zukommt. In ihrem
leidenschaftlichen Plädoyer hob sie vor allem die
Bedeutung des Vorlesens schon ab dem frühesten Kindesalter heraus. "Kinder aus
Familien, in denen vorgelesen wird, lernen leichter lesen und schreiben",
"Vorlesen schafft unverzichtbare Gemeinschaftserlebnisse zwischen Eltern und
Kindern", "Schriftsprache im Ohr zu haben, ist für das Kind etwas ganz
Wichtiges. Wenn sie einmal im Ohr ist, ist sie auch im Kopf", "Das Vorlesen
hilft, Krankheiten leichter zu überstehen und schneller gesund zu werden" - so
lauteten einige ihrer Kernsätze. Beispiele aus guten Kinderbüchern, mit denen
sie ihre Ausführungen "garnierte", zogen auch die anwesenden Erwachsenen in ihren
Bann und belegten die Richtigkeit ihrer Thesen.
Verbunden mit dem Elternabend war eine umfangreiche Ausstellung neuester
Kinder- und Jugendbücher der Universitätsbuchhandlung Brönner und Daentler,
Eichstätt, die den Eltern ausgiebig Gelegenheit gab, sich über das umfangreiche
Angebot aktuell zu informieren und auch schon Bücher für den Gabentisch an Weihnachten
zu erwerben.
Vom grenzenlosen Abenteuer des Lesens
Aus: Astrid Lindgren, das entschwundene Land
Ja, das grenzenloseste Abenteuer der Kindheit, das war das
Leseabenteuer....und ein besseres Geschenk hat das Leben mir nicht
beschert.
Heutzutage wissen ja wohl alle Eltern, dass ihre Kinder Bücher brauchen
... oder etwa nicht? Falls es noch welche geben sollte, die das
nicht wissen, dann kommt zu mir, liebe Freunde, damit wir darüber
reden.... Ich weiß zwar nicht, was ihr euch für euer Kind erträumt und
erhofft, aber ich weiß, dass es für alle Wechselfälle des Lebens besser
gerüstet ist, wenn es lesehungrig ist.
Was eigentlich wünscht ihr euch für euer Kind? Vielleicht zunächst einmal
so etwas Banales wie, dass es in der Schule gut vorankommt? Ja, aber dann
müsst ihr ihm den Weg zum Buch weisen, und zwar nicht nur zum Lehrbuch,
sondern auch zu solchen Büchern, die seine Lesegier einzig und allein
dadurch wecken, dass sie lustig und spannend sind. Ist es nicht wunderbar,
dass euer Kind nur dadurch, dass es etwas tut, was ihm Spaß macht, sich um
Vieles besser ausdrücken und schreiben lernt und so viel mehr über die
Welt erfährt, selbst über so was, was man in der Schule können muss?
Hab ihr guten Kontakt zu euerem Kind? ... Wünscht ihr mitunter, ihr
wüsstet ein wenig mehr darüber, was in ihm vorgeht? Ja, aber dann müsst
ihr ihm den Weg zum Buch weisen! Zusammen mit euerem Kind müsst ihr
lustige oder auch traurige Bücher lesen, egal welche. Eines weiß ich, ihr
werdet bald entdecken, dass diese Bücher das beste Verbindungsglied sind,
das es gibt. Vertrautheit stellt sich ein, wenn ihr zusammen über ein Buch
lacht oder weint. Und wie Vieles von dem, was euer Kind innerlich
beschäftigt hat, kommt zur Sprache, wenn ihr euch über das Gelesene
unterhaltet.
Was erwünscht und erhofft ihr euch noch für euer Kind? Womöglich hegt ihr
gar sehr hohe Erwartungen und träumt davon, dass es eines Tages zu denen
gehört, die die Welt verändern und sie zu einem besseren Platz für die
Menschen machen? ... Ja, aber dann müsst ihr ihm den Weg zum Buch weisen!
Und das muss jetzt gleich geschehen, denn findet es den Weg nicht als
Kind, dann findet es ihn nie.
Die Bücher geben seiner Phantasie Nahrung, und Phantasie ist genau das,
was sie brauchen, wenn sie sich als Erwachsene anschicken, die Welt zu
verändern. Denn alles, was geschieht, muss zunächst einmal in der
Phantasie eines Mensche Gestalt annehmen, wie sollte es sonst entstehen?
Vielleicht sind eure Träume für euer Kind auch gar nicht so hoch fliegend.
Ihr wünscht euch nur, dass es, wo immer sein Platz in dieser Welt später
sein mag, einigermaßen glücklich werde. Zum Glück oder Unglück eines
Kindes könnt ihr nicht allzu viel beitragen. Eines aber könnt ihr, ihr
könnt ihm zeigen, wo Trost zu finden ist, wenn es traurig ist, und wo
Freude und Schönheit zu finden sind, wenn das Leben ihm grau erscheint,
und überdies könnt ihr ihm Freunde schenken, die nie enttäuschen ... ja,
ihr könnt ihm den Weg zum Buch weisen!
Aber wie gesagt, es muss gleich geschehen. Nach der Kindheit ist es zu
spät, um den Weg zu finden, der zu dem grenzenlosesten aller Abenteuer
führt.
|