Die neue
bayerische Hauptschule
mit Mittlere-Reife-Zug und Praxisklasse
Nach langen, kontroversen
Diskussionen zwischen Schulfachleuten, Lehrerverbänden
und Politikern hat die Bayerische Staatsregierung im
Februar 1999 entschieden, im Zeitraum von acht Jahren die
sechsstufige Realschule einzuführen. Gleichzeitig
erhält die Hauptschule einen
"Mittleren-Reife-Zug" (M-Zug) ab der 7.
Jahrgangsstufe, der in der 10. Klasse zum mittleren
Schulabschluss führt. Außerdem wird es
"Praxisklassen" geben, in denen Hauptschüler
mit Lern- und Leistungsproblemen aus der Schule ins
Berufsleben hinüberbegleitet werden. Wir wollen diese
neuen Möglichkeiten im Folgenden vorstellen.
1. Die neue inhaltliche
Konzeption für die Hauptschule:
Der Lehrplan von 1997
1997 wurde für die Hauptschule ein neuer Lehrplan
eingeführt. Er setzt wichtige inhaltliche
Schwerpunkte und Impulse:
- Die Hauptschule vermittelt nicht nur Wissen
und Kenntnisse; genau so wichtig sind
fächerübergreifende Kompetenzen, also
Arbeitshaltungen, Arbeitstechniken sowie
personale und soziale Fähigkeiten.
- Sie versteht sich als eine Schule, die erzieht: Sie
berücksichtigt, dass Unterricht und Erziehung
nicht voneinander zu trennen sind.
- Sie bereitet auf den Beruf vor: durch
theoretische und praktischen Arbeitslehre,
Kontakte mit der Berufs- und Arbeitswelt,
Betriebserkundungen und Betriebspraktika sowie
Kontakte mit der Berufsberatung.
- Die Möglichkeit verschiedener Abschlüsse macht
die Hauptschule zu einer weiterführenden Schule
und kommt damit sowohl den schwächeren, als auch
den leistungsstärkeren Schülern entgegen. Sie
bietet
- den "normalen" Hauptschulabschluss
für Schüler, die die 9. Jgst. erfolgreich
besuchen;
- den qualifizierenden Hauptschulabschluss als
Nachweis überdurchschnittlicher Leistungen,
- den mittleren Schulabschluss der
"Freiwilligen 10. Klasse" (in Zukunft
"Mittlerer-Reife-Zug)".
2. Veränderungen in der Struktur
der Hauptschule
Mit dem Kabinettbeschluss vom 9. Februar 1999
beabsichtigt die Bayerische Staatsregierung, an der
Hauptschule den "Mittleren-Reife-Zug"
und "Praxisklassen" einzurichten und
greift damit auch in die Struktur der Hauptschule ein;
damit will sie sowohl die besonders leistungsstarken,
als auch die leistungsschwächsten Schüler gemäß ihrer
Begabung optimal fördern.
Der Mittlere-Reife-Zug (M-Zug) der
Hauptschule
Konzeption und Anforderungen
Im Mittleren-Reife-Zug der Hauptschule sollen in
Hauptschüler mit guten Leistungen ab der 7.
Jahrgangstufe zu eigenen Klassen oder Kursen
zusammengefasst und zum mittleren Schulabschluss
("Mittlere Reife") geführt werden. Die
Anforderung in der Abschlussprüfung nach der 10.
Jahrgangsstufe und die Berechtigungen des Zeugnisses sind
dabei die gleichen wie bei der bisherigen
"Freiwilligen 10. Klassen" (F 10); doch da der
"Anstieg" zum Ziel Mittlere Reife früher
beginnt, ist er nicht mehr so steil.
In weniger dicht besiedelten Gegenden, vor allem im
ländlichen Raum mit kleineren Schulen und
längeren Fahrtstrecken, soll es in den
Jahrgangstufen 7 und 8 statt der M-Klassen M-Kurse
geben. In diesem Fall besuchen die Kinder eine
Regelklasse, werden aber in Deutsch, Mathematik und
Englisch zusätzlich gefördert. Ab der 9. Klasse
werden die Schüler der M-Kurse, die in der 10. Klasse
den mittleren Schulabschluss anstreben, jedoch an einem
zentralen Ort in einer M-Klasse zusammengefasst.
In den M-Klassen wird auf der Grundlage des neuen
Lehrplans für die Hautpschule unterrichtet. Die
Themen und Lernbereiche sind die gleichen wie in den
Regelklassen. Jedoch orientiert sich das Anforderungsniveau
schon ab der 7. Jahrgangsstufe am Ziel des mittleren
Schulabschlusses und ist deshalb deutlich höher:
Die Lerninhalte werden in den M-Klassen vertieft
behandelt und ausgeweitet; die Aufgabenstellung wird
komplexer, das Arbeitstempo wird höher, die
Schüler müssen selbständiger arbeiten.
Außerdem werden die Lernbereiche und Themen der 10.
Jahrgangsstufe, die Gegenstand der Abschlussprüfung sind
und die schon der Lehrplan der 7.- 9. Klassen des
Mittlere-Reife-Zuges aufgreift, in den M-Klassen
besonders intensiv behandelt.
Diese Konzeption ermöglicht darüber hinaus, dass auch
die Schüler der M-Klasse in der 9. Jahrgangsstufe -
gewissermaßen "vorbeugend" - den
qualifizierenden Abschluss erwerben können.
Sicher ist die Aussage berechtigt, dass der
Mittlere-Reife-Zug ein gleichwertiger, aber doch
andersartiger, eben hauptschulgemäßer Weg zur
"Mittleren Reife" ist.
Voraussetzungen für den Übertritt in den M-Zug
In der Jahrgangsstufe 7 darf ein Schüler in eine
M-Klasse oder einen M-Kurs eintreten, wenn im
Zwischenzeugnis der 6. Jahrgangsstufe die
Durchschnittnote 2,33 aus den Fächern Deutsch,
Mathematik und Englisch erreicht ist. Wenn Eltern
darüber hinaus den Zugang wünschen, kann dies die
Lehrerkonferenz auch bei einer Durchschnittsnote von 2,66
- in besonders gelagerten Fällen auch darüber -
genehmigen, wenn der Schüler auf Grund seines gesamten
Lern- und Arbeitsverhaltens Aussicht hat, den mittleren
Schulabschluss zu erwerben..
Für den Zugang in die Jahrgangsstufe 8 und 9
einer M-Klasse oder eines M-Kurses ist die Durchschnittsnote
2,00 erforderlich; die Lehrerkonferenz orientiert
sich hier an der Durchschnittsnote 2,33;
Zugangsvoraussetzung für die 10. Jahrgangstufe
ist - wie bisher für den Zugang zur F 10 - die
Durchschnittsnote 2.0 im Zeugnis über den
Qualifizierenden Hauptschulabschluss und die
Gesamtbewertung 2,33 aus allen Prüfungsfächern.
Einführung des M-Zuges
Die Einführung des Mittlere-Reife-Zuges erfolgt schrittweise
voraussichtlich über 8 Jahre. In unserem
Einzugsbereich wird bereits zum Beginn des Schuljahres
1999/2000 an der THS II Schottenau Eichstätt eine
M-Klasse eingerichtet; an mehreren Orten im östlichen
Landkreis Eichstätt entstehen zu diesem Zeitpunkt
M-Kurse.
Praxisklassen der Hauptschule
Die Hauptschule will sich gerade auch um jene
Schülerinnen und Schüler kümmern, die aus
unterschiedlichen Gründe größere Schwierigkeiten mit
dem Lernen und Arbeiten haben. Für sie besteht nun
die Möglichkeit, eine "Praxisklasse" zu
besuchen. Diese richtet sich also an Schüler, die keine
Aussicht haben, in der Regelklasse einen
Hauptschulabschluss zu erreichen; sie
verlassen die Schule nach den Jahrgangsstufen 8, 7 oder
gar 6. Sie sollen in Zukunft in einer eigenen Klasse
zusammengefasst und spezifisch betreut werden.
Ein besonders Merkmal der Praxisklassen sind die "Praxistage"
vor Ort in einer Werkstatt eines außerschulischen
Partners, z.B. in der Werkstatt eines
Berufsförderzentrums, eines Beruflichen
Fortbildungszentrums der Bayerischen Wirtschaft, eines
Betriebes der Berufsschule, eines freien Bildungsträgers
oder einer überbetrieblichen Einrichtung der
Handwerkskammer oder Industrie- und Handelskammer.
Die Jugendlichen erhalten unter der Anleitung von
Fachleuten in verschiedenen Praxisbereichen (z.B.
Metall, Holz, Hauswirtschaft, EDV) die Möglichkeit,
durch praktisches Tätigsein zu lernen. Sie
erleben ihre handwerklichen Fähigkeiten positiv und
gewinnen Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten.
Hohe Bedeutung kommt dabei auch der Zusammenarbeit mit
der Berufsberatung des Arbeitsamtes und der
sozialpädagogischen Begleitung durch die Jugendhilfe zu.
Ziel der Praxisklassen ist es, den Schülern auf diese
Weise weiterführende Perspektiven mit einer bessere
Aussicht auf einen Ausbildungsplatz oder mit der Aussicht
zum Erwerb des Hauptschulabschlusses zu eröffnen.
Der Besuch einer Praxisklasse ist in jedem Fall
freiwillig; die Schüler dürfen einer solchen Klasse
nicht gegen ihren Willen zugewiesen werden. Sie muss als
Chance verstanden werden, Schule einmal
"anders" zu gestalten. Die Praxisklasse will
nicht Strafe sein, sondern ein Angebot. Auch
Praxisklassen werden nach und nach dort eingeführt
werden, wo Bedarf dafür vorhanden ist.
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